Eine GmbH oder eine andere Kapitalgesellschaft im digitalen Entwicklungsland Deutschland gründen? Ein Selbstversuch fördert ungemein lustige Momente zutage. Unsere Ex-Kanzlerin, bekannt als Mutti, hatte völlig recht, als sie erklärte, das Internet sei Neuland. Die folgenden Ausführungen sind Erfahrungwerte und nehmen nicht für sich in Anspruch, Allgemeingültigkeit zu besitzen. Sie zeigen aber eines: Deutschland, einst in der Welt berühmt-berüchtigt ob seiner Effektivität und Zuverlässigkeit, hat fertig.

Für die Gründung einer Firma benötigt man Fachkräfte. Zum Glück haben wir in D. Profis, die uns beraten können. Der erste, Betriebswirt von Haus aus, macht klar: Wenn man das Unternehmen später wieder verkaufen möchte, muss es eine juristische Person sein. Gesagt, getan. Er kassiert nur 80,- Euro pro Beratungsstunde. Das ist quasi geschenkt. Summiert sich halt.
Schritt 2 ist die Konsultation einer Steuerberatung. Eine GmbH gründen? Kein Thema, flugs den Termin beim Notar klargemacht, ein paar Dokumente rübergeschoben, erzählt, worauf man achten muss. Stundensatz: 180.- Euro, summa summarum 2.700,- Euro. Ein Rabatt für das Startup ist aber drin. Nice.
Der Notar greift zu ein

Notar um 1830. Anonymous German painter, Public domain, via Wikimedia Commons
Beim Notar. Es geht sehr offiziell zu in der ehrwürdigen Bude. Dr. S. begrüßt das Opfer professionell, der Staatsakt folgt. Verlesen der Gründungsakte. Ein paar Ermahnungen und Hinweise auf zu erwartende Abzockversuche per Schnecken- und elektronischer Post. Später schickt er die Unterlagen ans falsche Finanzamt. Die Rechnung kommt aber prompt und an die richtige Adresse. Macht 785,- Euro und ein paar Zerquetschte. Wenigstens das Abkassieren funktioniert im Entwicklungsland D. noch.
Hamsterrad Firmenkonto
Laut notariell beglaubigtem Gründungsvertrag muss zuerst das Stammkapital auf das Geschäftskonto überwiesen werden, ehe der Eintrag ins Handelsregister erfolgen kann. Die Filialbank unseres Vertrauens, eine Volksbank vor Ort, schafft es innerhalb von 4 Wochen nicht, ein Firmenkonto einzurichten. Na klar, ist ja logo: Die Statuten der Volksbank schreiben vor, dass zuerst der Handelsregistereintrag vorgelegt werden muss. Erst dann kann das Firmenkonto eröffnet werden. Die Quadratur des Kreises.
Die Sparkasse hingegen braucht nur eine Woche oder so für die Kontoeröffnung. Weil es eilt, schlage ich vor, die Kontoeröffnung persönlich vor Ort zu besiegeln. Geht nicht, meint die Firmenkundenberaterin, sie habe kein Büro mehr in der Bankfiliale.
Wer jetzt noch nicht am Rad dreht, ist ein hoffnungsloser Optimist.
Eine Bank vor Ort macht also nicht unbedingt Sinn. Ein FinTech-Dienstleister tuts auch. Also ein Internet-basierter Finanztechnik-Dienstleister. Der hat die Einrichtung des Kontos in einer Stunde erledigt, das Stammkapital kann eingezahlt werden. Nach 8 Stunden sind die hochgeladenen Unterlagen und die Identität geprüft, das Konto einer GmbH in Gründung funktioniert und man erhält sogar prompten telefonischen Support. Später stellt man fest, dass die „niedrigen“ Kontogebühren, knapp 50 Euro monatlich, ein Lockmittel sind. Für fortgeschrittene Anwendungen wie automatisierte Rechnungen wird kräftig abgesahnt.
Eintrag ins Handelsregister
Vom der Steuerberatung kommt der Hinweis: Es fehlt noch eine Bestätigung für das Amtsgericht, dass keine Schulden in die GmbH eingebracht werden. Ich rufe selbst beim Amtsgericht an. Der Rechtspflegerin genügt 1 Satz. Der ist schnell verfasst, muss aber per Post an den Notar, der die lapidare Aussage beglaubigt und das wertvolle Schriftstück ans Amtsgericht sendet. Zumindest ist nicht der Transport per Postkutsche vorgeschrieben. Ein Lichtblick. Macht dann 200,- Euro.
Fazit: Die GmbH wurde am 16. Dezember gegründet. Der Eintrag ins Handelsregister ist am 13. Februar endlich da. Der Aushilfs-Postbote hat den Brief diesmal dankenswerterweise nicht an der falschen Adresse ablegt.
An dem ungeheuer komplizierten Prozess haben ein konsultierter Betriebswirt, die Steuerberater, der Notar und natürlich der Staat in allen seinen Formen profitiert. Immerhin ist schon am Folgetag des Handelsregistereintrags die Steuernummer da. Geld loswerden funktioniert immer.
Bekannte haben ihre Firmen in Irland, Estland oder auf einer Kanalinsel gegründet. In einer Stunde, ganz legal und zu einem Bruchteil der Kosten.
P.S.: In Timbuktu oder in Bagdad, um fiktive Beispiele zu wählen, wäre für den entsprechenden Verwaltungsakt ein Bakschisch fällig. Rechnet man die Kosten für die Gründung eines Unternehmens in Deutschland zusammen, würde man mit dem Bakschisch ungleich günstiger davonkommen. Und es würde schneller funktionieren. Immerhin hat man im Entwicklungsland D. Rechtssicherheit. Wenn man Glück hat. Vetternwirtschaft und Korruption – ein beliebter Vorwurf an sogenannte „Entwicklungsländer“ und „autoritäre Staaten“ – gibt es in D. auch zuhauf. Nur smarter. Aber das ist eine andere Geschichte.