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Es ist ganz einfach: Man nehme einige Versatzstücke aus anderen Medien, reichere sie mit eigenen »Recherchen« und Vorverurteilungen an – und fertig ist ein kleiner Skandal. Andere Medien, insbesondere Nachrichtenagenturen, greifen den kleinen Skandal auf und schon ist ein Mainstream-Skandal daraus geworden. Mainstream meint in diesem Fall: Meinungsmachende „Leitmedien“ wie DER SPIEGEL oder die Süddeutsche Zeitung generieren einen Informations-Strom, und die kleineren Medien wollen an dem Wirbel teilhaben und natürlich nicht gegen den Strom schwimmen. Denn gegen den Mainstream kommt man nicht so leicht an. Wer schon einmal in einen reißenden Fluss gesprungen ist, weiß wovon ich rede.
Ein Beispiel: DER SPIEGEL kriegt spitz, dass am 27. Januar die neue Partei um die »Ex-Linkspolitikerin« Sahra Wagenknecht gegründet werden soll. Eine »Ex« ist schon mal negativ besetzt , und »links« ist dem SPIEGEL auch nicht recht.
Die Suche nach weiteren Argumenten führt ins Archiv: Einige Wochen zuvor hatte schon die »German Angst« in den Leitmedien die Runde gemacht. Das Nachrichtenmagazin Focus titelte: »Wer hat Angst vor Sarah W.?« Und die Kollegen vom SPIEGEL antworteten, am selben Erscheinungstag (28. Oktober), ebenfalls auf dem Titelblatt: »Wir haben Angst« (vor Judenhass).
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In der SPIEGEL-Ausgabe vom 28.10. hatte die Parteienforscherin Sophie Schönberger erklärt: »Wenn der Verein BSW selbst als Ziel ausgibt, Gelder für die Parteigründung sammeln zu wollen, so wirkt das wie ein groß angelegtes Projekt, um gezielt die Vorschriften des Parteienfinanzierungsrechts zu umgehen.« Sie bezog sich auf den am 26. September gegründeten Verein »Bündnis Sahra Wagenknecht – für Vernunft und Gerechtigkeit e.V.«, der laut Vereinssatzung die Parteigründung organisatorisch vorbereiten und Spenden sammeln soll.
Nun weiß der SPIEGEL, dass ein Verein unbegrenzt Spendengelder aus dem Nicht-EU-Ausland annehmen darf, eine Partei nur bis zu 1.000 Euro, es sei denn, es handelt sich um einen EU-Bürger. »Bild am Sonntag« legt nach und berichtet von Spenden auch von außerhalb Europas, die der Verein BSW bestätigt habe. Mischt BILD mit, wird der Mainstream reißerischer. Und es geht natürlich überhaupt nicht mehr um die Parteigründung, sondern um das Drumherum. Das Ziel: Widersprüchlichkeiten aufdecken, um Wagenknecht zu diskreditieren.
BSW-Schatzmeister und IT-Unternehmer Ralph Suikat aus Karlsruhe wird von der Süddeutschen mit den Worten zitiert, das BSW nehme keine Spenden aus dem Nicht-EU-Ausland an, um sich nicht juristisch angreifbar zu machen. Auch aus „dem Umfeld von Wagenknecht“ will der SPIEGEL vernommen haben: »Es wird sich streng an das Parteiengesetz gehalten.«
VERDÄCHTIGES KONTO
»Bild am Sonntag« meckert, anders als vom BSW behauptet, habe der Verein innerhalb von sieben Wochen rund 1,1 Millionen Euro eingenommen, inklusive Großspenden in Höhe von 50.000 und 20.000 Euro. Das Geld sei auf ein Konto bei einer Volksbank im sächsischen Pirna geflossen, das Suikat eröffnet habe. Der Vorstandschef der Bank, so der »Tagesspiegel«, pflege enge Kontakte nach Russland und zu seinen Kunden gehörte „der russische Propagandakanal“ RT Deutschland, wie das »Redaktionsnetzwerk Deutschland« berichtet.
Laut SPIEGEL hat die BSW das Konto in Pirna damit begründet, dass man »dezentral organisiert« sei. Zudem habe Sahra Wagenknecht, so die »BamS«, für die Spenden »keine Großbank mit Callcentern« auswählen wollen.
Jetzt ist die Bank im Visier des Mainstream, nebst dem BSV-Schatzmeister, der mutmaßlich die Unwahrheit gesagt haben muss, was die Kleinspenden und die Spenden aus dem Nicht-EU-Ausland auf dem verdächtigen Konto in Pirna angeht.
WO HAT EIGENTLICH DER SPIEGEL SEIN KONTO?
Die Antwort laut SPIEGEL-Impressum: bei der COMMERZBANK. Zu den Gründern der Commerzbank gehört der Hamburger Übersee-Kaufmann und Reeder Carl Woermann. Sein Erbe Adolph Woermann wurde einer der schlimmsten deutschen Kolonialisten und der größte Privatreeder der Welt. Zudem gehörte er zum Gründungskonsortium der Commerz- und Disconto-Bank, der heutigen Commerzbank. (WP)
Die Firma C. Woermann, die Adolph Woermann übernahm, hatte ursprünglich mit westfälischem Leinen in Afrika gehandelt. Später war sie dazu übergegangen, hauptsächlich Branntwein, Waffen und Schießpulver aus dem Deutschen Reich gegen Palmöl und Kautschuk zu tauschen.
Foto: © Gemeinfrei | von links: Eduard Woermann (1904), Adolph Woermann und Carl Woermann (1879) mit Schiffen der Woermann-Linie bzw. der Deutschen Ost-Afrika Linie (DOAL); dazwischen die z. T. doppelt abgebildeten Gebäude der Alten Woermann-Faktorei in Kamerun (Originalformat 8,5×10 cm). Bildarchiv der Deutschen Kolonialgesellschaft in der Universitätsbibliothek Frankfurt am Main.
Im Juni 1883 verfasste Adolph Woermann eine Denkschrift, in der er den Schutz deutscher Besitzungen in Afrika durch das deutsche Reich forderte. Woermann, 1883 Berater von Reichskanzler Otto von Bismarck, konnte sich durchsetzen und begründete so die „Deutschen Schutzgebiete“ in Afrika.
DER SPIEGEL selbst berichtete am 6. August 2019, dass Kaufleute des Hamburger Unternehmens Woermann im Zusammenspiel mit Kolonialbeamten und Militärs planten, die Einwohner am Kamerun-Fluss zu vertreiben und den Zwischenhandel mit Palmöl-Lieferanten aus dem Hinterland unter ihre Kontrolle zu bekommen. In Afrika seien zwei Schätze auszubeuten, erklärte Handelshaus-Senior Adolph Woermann laut SPIEGEL, „die Fruchtbarkeit des Bodens und die Arbeitskraft vieler Millionen Neger.“
Die Commerzbank hat einige Skandale hinter sich, darunter „Beihilfe zum Steuerbetrug„, Dividenden-Arbitrage zum Steuerbetrug bei Cum/Cum-Geschäften, Zusammenarbeit mit Rüstungsherstellern, Zusammenarbeit mit staatlichen Unternehmen in Belarus, und Kreditvergabe an die Kohleindustrie.
Drum merke: Wer selbst im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen nach Sahra Wagenknecht werfen.
veröffentlicht unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-SA.
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